Samstag, 20. August 2011

Kapital – Sprengstoff des Kapitalismus

Die hektische Berichterstattung über Börsenkurse soll uns weismachen, dass aller Wohl und Wehe einzig vom Kursverlauf der Aktien abhänge. Letztlich nur ein Manöver, um von den wirklichen Ursachen der Finanzkrise abzulenken.

Vergleichsweise wohltuend empfand ich dagegen das Buch „Sprengstoff Kapital“ von Edgar Most. Most ist ein ausgewiesener Kenner der Finanzwelt – als Staats-Banker der DDR wurde er nach der „Wende“ in den Vorstand der Deutschen Bank übernommen (und hat sich nicht verbiegen lassen). Auf einige ausgewählte Passagen des Buches sei an dieser Stelle aufmerksam gemacht.

Im Kontrast zu den gepushten Schlagzeilen über die Schuldenländer weist er auf die jahrelang praktizierte und bekannte (!) Zahlenmanipulation hin: „. . . Zumal – auch das ist mittlerweile eine geschichtliche Wahrheit – schon Mitte der neunziger Jahre, keiner der Euro-Kandidaten wirklich solide Staatsfinanzen präsentieren konnte, von Luxemburg und Irland mal abgesehen“. (S. 61) Und an anderer Stelle: „Als die europäischen Regierungschefs im Mai 1998 auf dem Sondergipfel in Brüssel die Einführung der neuen Währung beschlossen hatten, war ja Griechenland der einzige EU-Kandidat, dem man die Mitgliedschaft verweigert hatte. Dieser Demütigung folgte eine bis heute einzigartige Bilanzkosmetik, die unter dem Begriff Greek Statistics inzwischen in Brüssel zum geflügelten Wort geworden ist“. (S. 63)
(Im Januar 2001 hatte Griechenland plötzlich nur noch eine Neuverschuldung von 1,6% des BSP – und durfte der Euro-Zone beitreten)

Dass deutsche Firmen (insbesondere Banken) – und Angela Merkel ist ja deren Sachwalter – ein besonderes Interesse an einer „deutschen“ Lösung der Finanzkrise haben, ergibt sich aus der Tatsache, dass deutsche Firmen „. . . nach Berechnungen von Wirtschaftsforschern zwischen 2003 und 2009 fast eine Billion Euro an Vermögen in ausländische Finanztitel investiert“ haben. (S. 28) Allein die großen deutschen Banken „sind mit weit über 300 Milliarden Euro in Griechenland, Irland, Portugal und Spanien engagiert“. (S. 102) Sind diese Länder nicht gerade im Finanz-Fokus?

Ursache der derzeitigen (?) Krise ist für Most – andere Wirtschaftsfachleute bestätigen dies – die Entkopplung zwischen Finanz- und Realwirtschaft: „Inzwischen ist das Handelsvolumen an den Finanzmärkten mit 4400 Billionen Dollar siebzigmal so groß wie die jährliche weltweite Wirtschaftsleistung“. (S. 36) Für ihn ist klar: „Wenn die Politik, statt vorrangig nur Krisensymptome zu bekämpfen, jetzt nicht endlich anfängt, die Fehler des Systems zu beseitigen, dann schafft sich der Kapitalismus über kurz oder lang selbst ab“. (S. 38)

Aber auch die Individualschuld lässt Most – volle Zustimmung von mir – nicht außer Acht: „. . . , es ist nicht nur die Gier der Investmentbanker, sondern eben auch unser aller Gier, die mit dazu beigetragen hat, dass wir in die größte Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten gerieten“. (S. 40)

Für mich als Wirtschaftslaien ein hochinteressantes Buch; auch wegen der Hintergründe der DDR-Ökonomik – aber hierüber sollten sich Interessierte selbst informieren.

Edgar Most, Steffen Uhlmann (Hrsg.)
Sprengstoff Kapital.
Verschwiegene Wahrheiten zum Aufschwung
256 Seiten

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